Arbeitsmarkt: Warum sich der Arbeitsmarkt der Krise nicht länger entziehen kann
Bislang hat sich der Arbeitsmarkt als robust erwiesen – trotz der Wirtschaftsflaute. Doch das bleibt nicht so. Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer beobachtet seit dem Sommer eine Trendwende – nicht nur in der Industrie ThyssenKrupp ist das jüngste Beispiel: Der Konzern hat bekannt gegeben, Tausende Arbeitsplätze abbauen zu wollen. In den vergangenen Monaten gab es mehrere ähnliche Nachrichten aus der Industrie. Sind das noch Einzelfälle oder haben wir nach Jahren des Beschäftigungswachstums nun eine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt? HOLGER SCHÄFER: Nein, das sind keine Einzelfälle, wir sehen insgesamt deutlich einen Arbeitsplatzabbau. Zwar haben wir es bislang nicht mit einer Entlassungswelle zu tun, also in der Regel nicht mit betriebsbedingten Kündigungen. Indikatoren, die auf Entlassungen hindeuten, zeigen nichts Auffälliges an. Was aber sinkt, ist die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen. Firmen setzen vor allem auf Fluktuation, um Arbeitsplätze abzubauen. Sie stellen nicht mehr oder nur noch sehr wenig ein. Auf diese Weise baut sich Beschäftigung ab und leider auch Arbeitslosigkeit auf. Lange Zeit hatten wir das Glück, dass Beschäftigungsgewinne in staatsnahen Sektoren, wie öffentliche Verwaltung, Erziehungs- und Gesundheitswesen die Verluste der Industrie kompensierten. Das ist jetzt aber nicht mehr der Fall. Seit Sommer dieses Jahres haben wir gesamtwirtschaftlich einen Beschäftigungsverlust. Holger Schäfer ist Senior Economist für Beschäftigung und Arbeitslosigkeit beim Institut der Deutschen Wirtschaft. © Institut der deutschen Wirtschaft Die Arbeitslosigkeit war in den vergangenen Jahren schon leicht gestiegen. Aber nicht, weil die Beschäftigung abnahm – die stieg sogar auf Rekordniveau –, sondern weil mehr Menschen in den Arbeitsmarkt kamen, unter anderem Geflüchtete aus der Ukraine. Treten weiter mehr Menschen in den Arbeitsmarkt ein? Und was bedeutet das für den Arbeitsmarkt? Die Erwerbspersonenanzahl nimmt weiter zu. Wir hatten in den Jahren 2022/202
Arbeitsmarkt: Warum sich der Arbeitsmarkt der Krise nicht länger entziehen kann